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53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
Chronik einer Insel
Insel Norderney

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Teil 26

Norderney Kurier (Serie erschien vom 03.06.2016 - 24.02.2017)

Erst bricht an der Mühle "Selden Rüst" ein Flügel ab - später brennt sie fast aus

Nach der Währungsreform, die dann allerdings die zumeist ohnehin nicht besonders großen Ersparnisse aller Bürger "aufgefressen" hatte, hoffte man allerorts, das Schlimmste hinter sich gelassen zu haben; die Menschen in Europa, in der 1949 neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland und ebenso die Norderneyer Bürger - man wollte nach vorn schauen, das Vergangene hinter sich lassen. Für die Insel, seit 1946 "Niedersächsisches Staatsbad", bedeutete dies: "Um aber die gesamte Existenzgrundlage der Insulaner wieder herzustellen, muss mehr getan werden. Wohnungsbau tut not, um die Kapazitäten für den Fremdenverkehr wieder frei zu machen. (...) Der Startschuss war getan und bald beschließt die Stadt, ein neues Baugebiet östlich des Birkenwegs im Anschluss an die Nordhelmsiedlung auszuweisen. Die Baugrenze reicht nun weiter bis zur Meierei an der Lippestraße. Auf dieser Fläche bauen die jungen Inselbewohner ihre Kleinsiedlungen. Kleine, eingeschossige Häuser auf großg eschnittenen Grundstücken sollten die dringendsten Wohnbedürfnisse in bescheidenem Rahmen befriedigen, den Gedanken an das Vermieten einiger Räume an Kurgäste hatte man damals wohl nur im Hinterkopf. Die großen Grundstücke sollten wohl der Selbstversorgung mit demNötigsten dienen, Hungerzeiten hatte es reichlich gegeben..." (Quelle: "Norderney"-Jann Saathoff ).

Für die Müllerfamilie war das Problem Nummer eins der Nachkriegsjahre, einen oder mehr Mitarbeiter zu finden, um den Mühlenbetrieb überhaupt aufrechterhalten zu können - denn mit seinen fast 70 Jahren kam Okko Fleetjer nun sicher an die Grenzen seiner physischen Belastbarkeit - es warsicherlich der ganzen Familie bewusst, dass eine Zukunftsperspektive gebraucht wurde. Generell war es so, dass es - nur auf den ersten Blick erstaunlicherweise - allen Mühlen, auch den kleineren Betrieben dieser Art, in den Nachkriegsjahren relativ gut ging (K. Schultze-Gisevius 'Kapazitätsabbau mit Staatshilfe'). "Auch nach 1945 bleibt es bei Festpreisen für Getreide und Mehl; die Überkapazität wirkte sich nicht auf die Gewinne der Mühlen aus. Die Vermahlung war nach wie vor für fast alle Betriebe lohnend. (...) Im Kriege waren zahlreiche Großmühlen beschädigt oder zerstört worden. Deshalb arbeiteten die kleineren und mittleren Mühlen des Binnenlandes oft an der Grenze ihrer Kapazität."

An eine Einstellung des Müllerbetriebes von "Selden Rüst" wegen fehlender Nachfrage der Erzeugnisse war also in diesen Jahren noch nicht zu denken und das personelle Problem löste sich dann auch. Schon im Jahr 1946 hatten sich meine Eltern in Herne kennengelernt - meine Mutter hatte dort eine ihrer Tanten besucht und mein Vater, Claus Pugatschov, war im selben Haus bei der Verwandten eines Freundes in einem "möblierten Zimmer" untergekommen. Beschäftigt war er zu der Zeit in einer der vielen noch betriebenen Kohlenzechen, froh darüber, nach den Wirren des Krieges überhaupt irgendwo "angekommen" zu sein. Nach dieser ersten Begegnung der beiden entspann sich ein sehr aktiver Briefwechsel und manchmal auch Besuche seinerseits auf Norderney. Nachdem im Frühjahr 1948 wieder eine Hilfskraft den Dienst in der Norderneyer Mühle gekündigt hatte, wurde ihm signalisiert, dass er als zukünftiger Schwiegersohn und als Helfer bei der Arbeit in der Inselmühle willkommen sei. Am 29. Mai 1949 fand die Hochzeit der beiden statt. Mein Vater machte dann bis 1954 noch eine Ausbildung zum Müllermeister. Die Mühle war also bis weit in die 1950er-Jahre hinein nicht nur auftragsmäßig ausgelastet, sondern es gab auch noch einen jungen Müllermeister. Dann jedoch kam das für die Inselmühle "Selden Rüst" schicksalhafte Jahr 1951, welches fast ihr Ende bedeutet hätte.

Der erste große Unfall geschah im Frühjahr 1951: der Abbruch eines Flügels. Dies hatte zwar keinen Einfluss auf die eigentliche Mühlentätigkeit, da der Mahlbetrieb schon auf Motorkraft umgestellt worden war, jedoch das Aussehen der Mühle wurde hierduch sehr beeinträchtigt. Schon bald darauf kam es zu einer noch schwereren Katastrophe: Am Nachmittag des 24. April stand die Mühle in Flammen. Vermutlich hatte sich durch Unachtsamkeit von Handwerkern, die an der Mühle Reparaturen durchführten, das Reet entzündet. Das Frühjahr war sehr trocken gewesen, und das Reet des Mühlendaches stand in Minutenschnelle lichterloh in Flammen. Durch einen Großeinsatz der Norderneyer Feuerwehr und der (im Jahr 1951 noch auf Norderney stationierten) britischen Militärfeuerwehr konnte verhindert werden, dass die Mühle vollständig abbrannte. Das alte Müllerhaus konnte vor dem Übergreifen der Flammen gerettet werden. "Großalarm die Mühle brennt!" (zusammengestellt von Bonno Eberhardt: Die Löschgruppen der Freiwilligen Feuerwehr Norderney von 1946 bis 1980): "Nur wenige Tage, nachdem von jugendlicher Frevlerhand ein falscher Alarm ausgelöst worden war, schreckte gegen 16.30 Uhr die Sirene abermals Jung und Alt auf. Dieses Mal war es jedoch bitterer Ernst, denn bereits in die ersten Heultöne mischte sich der Schreckensruf: "Die Mühle brennt!". Obwohl die Löschfahrzeuge bereits fünf Minuten nach dem sofort gegebenen Großalarm an der Brandstätte eintrafen, bildete das altvertraute Inselwahrzeichen in Sekundenschnelle eine einzige Rauch- und Flammensäule, die drohend über der Stadt hing.

Im konzentrischen Angriff begannen die von Angehörigen der britischen Militärfeuerwehr unterstützten Wehrmänner das aussichtslos erscheinende Unterfangen, der entfesselten Elemente Herr zu werden. Unter Einsatz von elf C-Rohren gelang es gegen 17 Uhr ein weiteres Ausbreiten der Flammen zu verhindern, nachdem die Bewohner des benachbart gelegenen Awo-Erholungsheimes bereits damit begonnen hatten, die Teerdächer ihrer Baracken mit Wasser zu benetzen. Obwohl die schweren Motorpumpen unablässig ihre Wassermassen gegen das Flammenmeer schleuderten, gelang es erst nach längerer Zeit, die große Magirus-Leiter zum Einsatz zu bringen, um eine wirkungsvolle Brandbekämpfung auch von oben herab zu ermöglichen. Vor allem galt es hier, das wertvolle Mühlentriebwerk so weit wie möglich vor weiterer Vernichtung zu schützen. Nun auch vom Mühlenkopf aus bekämpft, begannen die Flammen endgültig in sich zusammenzufallen, obwohl immer wieder kleinere Brandherde an den verschiedensten Stellen aufglimmten und die Rauchentwicklung teilweise noch zuzunehmen schien. Dank ständig weiterer Bemühungen konnte gegen 17.45 Uhr bereits das Signal "Wasser halt" gegeben werden. Den nach Beendigung ihres vorbildlichen Einsatzes durchweg völlig durchnässt und rauchgeschwärzt angetretenen Wehrmännern sprach Stadtbrandmeister Johann Extra sein uneingeschränktes Lob aus.

Die zum Skelett ausgebrannte Inselmühle.Auch nach übereinstimmender Auffassung aller Brandsachverständiger muss es als eine große Leistung der Norderneyer Freiwilligen Feuerwehr bezeichnet werden, einen derartigen Brand, der sich beim Eintreffen der Löschmannschaften fortgeschrittenem Stadium befand, in so rascher Zeit erfolgreich zu bekämpfen. Es gilt durchweg, auch auf dem Festland, als feststehend, dass für brennende Mühlen keinerlei Rettungsmöglichkeit besteht.

Die zurückgelassene Brandwache musste im Verlaufe des gestrigen Abends noch wiederholt, letztmalig um 21.30 Uhr, eingreifen und konnte erst heute Morgen gegen 7 Uhr eingezogen werden. Mit der zum Skelett ausgebrannten Mühle verliert Norderney ein bereits 1861 errichtetes Bauwerk, das dank seiner Besonderheit unter Denkmalschutz stand. Der Sachschaden dürfte umso höher sein, als der Bau von Windmühlen einem nahezu vergessenen Gewerbe obliegt."

Die Inselmühle brennt

Großalarm am 24. April 1951: Die Inselmühle brennt. Die britische Militärfeuerwehr hilft der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr bei den Löscharbeiten.

Mühle nach dem Brand Mühle nach dem Brand

Durch das rasche und beherzte Eingreifen der Wehrmänner konnte die Grundsubstanz der Mühle nach dem Brand gerettet werden.

Claus Pugatschov erhält seinen Meisterbrief am 23. Juli 1954.

Claus Pugatschov erhält seinen Meisterbrief am 23. Juli 1954.


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