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53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
Chronik einer Insel
Insel Norderney

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Teil 19

Norderney Kurier (Serie erschien vom 03.06.2016 - 24.02.2017)

Der Erste Weltkrieg fordert weltweit fast zehn Millionen Todesopfer

Der Erste Weltkrieg hatte weltweit fast zehn Millionen Todesopfer gefordert und etwa 20 Millionen Verwundete unter den Soldaten. Die Anzahl der zivilen Opfer wird auf weitere sieben Millionen geschätzt. Der Krieg hinterließ dramatische Lücken in der Demografie Deutschlands und erzeugte eine noch nicht gekannte soziale Not bei Kriegswaisen und -witwen.

Unter den Verwundeten befanden sich zahlreiche, mitunter bis zur Unkenntlichkeit entstellte Invaliden, die mit vorher unbekannten (Gesichts-) Entstellungen und Amputationen in ein Zivilleben entlassen wurden, das noch keine moderne Prothetik, berufliche und medizinische Rehabilitation kannte. Ebenso die als "Kriegszitterer" bekannten ehemaligen Frontkämpfer, die kaum eine Chance auf eine berufliche oder auch private Rehabilitation hatten. Durch den andauernden schweren Beschuss erlitten sie Traumatisierungen, die sich im Zittern äußerten. Ein Post-Traumatisches Belastungssyndrom (PTBS), das bis dato in der Medizin unbekannt war. Unzählige ehemalige Weltkriegssoldaten starben nach dem Kriegsende noch an den Folgen von Kriegsverletzungen und mitgebrachten Krankheiten in relativ niedrigem Lebensalter.

Generalmajor Fedor Benno Constantin von Kleist und Elisabeth Eugenie Wilhelmine Amalie

Generalmajor Fedor Benno Constantin von Kleist und Elisabeth Eugenie Wilhelmine Amalie. Aus dem Archiv des Familienverbandes derer von Kleist.

1918 raffte die Spanische Grippe in Europa Millionen von oft bereits zuvor durch den Krieg geschwächten Zivilisten und Soldaten hinweg, weltweit starben 25 bis 40 Millionen Menschen, die Schätzungen der Opferzahlen in Deutschland bewegen sich zwischen 209.000 und 300.000.

Wie überall in Westeuropa war die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg begleitet von Arbeitslosigkeit, politischen Wirren, wirtschaftlicher Not - und einer bald folgenden Inflation. Schon das Jahr 1917 wird oft als "Epochenjahr" bezeichnet, da sich die Weltordnung jetzt ganz offensichtlich und entscheidend zu verändern begann: Die Novemberrevolution von 1918/19 führte in der Endphase des Ersten Weltkrieges zum Sturz der Monarchie im Deutschen Reich und zu dessen Umwandlung in eine parlamentarische Demokratie, die Weimarer Republik. Die Ursachen der Revolution lagen in den extremen Belastungen durch den mehr als vier Jahre währenden Krieg, im allgemeinen Schock über die Niederlage des deutschen Kaiserreichs, in dessen vor demokratischen Strukturen und sozialen Spannungen. Unmittelbarer Auslöser der sogenannten "Novemberrevolution" war der Flottenbefehl der Seekriegsleitung vom 24. Oktober 1918. Er sah vor, die deutsche Hochseeflotte trotz der bereits feststehenden Kriegsniederlage Deutschlands in eine letzte Schlacht gegen die britische Royal Navy zu entsenden. Die gegen diesen Plan gerichtete Meuterei einiger Schiffsbesatzungen und deranschließende Kieler Matrosenaufstand entwickelten sich innerhalb weniger Tage zu einer Revolution, die das ganze Reich erfasste. Sie führte am 9.November 1918 in Berlin zur Ausrufung der Republik und wenig später zur Abdankung Kaiser Wilhelms II.

Auch auf der Insel Norderney, vor dem Krieg einst glanzvolles "Kaiserbad", war in einer desolaten Situation ein tatkräftiges Krisenmanagement gefragt - die vier Kriegsjahre hatten den Fremdenverkehr zum völligen Erliegen gebracht. Viele Hauseigentümer waren nicht mehr in der Lage, die Hypotheken-Zinszahlungen zu leisten, und es bestand eine sehr reale Gefahr, dass sie ihren Besitz verlieren würden.

Als erster Norderneyer Bürgermeister versuchte Jann Berghaus mit gezielten Maßnahmen zu helfen. Er rief unter anderem eine "öffentliche Inselhilfe" ins Leben, die speziell als Hilfe für überschuldete Hausbesitzer gedacht war. Ebenso kaufte die Stadt Norderney einige größere Häuser, um damit die dringlich gewordene Wohnungsfrage für die eigene Bevölkerung zu lösen. (Quelle: J. Saathoff; Norderney II)

Von einem Tourismus der Vorkriegs-Größenordnung konnte natürlich noch keine Rede sein, im Jahr 1919 gab es dann eine zunächst behelfsmäßige Wiederaufnahme des Kurbetriebes, mit etwa 14.000 Kurgästen.

Für die Müllerfamilie Fleetjer gab es nach dem Kriegsende 1918 viele familiäre Veränderungen. Sie waren erfreulicher Art, aber auch schwere Abschiede kamen auf die Familie zu.

Im September 1921 gaben Okko Fleetjer und Sophie Giesecke ihre Verlobung bekannt. Die Heirat fand am 26. November 1921 in Barsinghausen statt, dem Geburtsort der Braut, in der Nähe von Hannover am Deister gelegen.

Mein Großvater Okko war zu diesem Zeitpunkt kein junger Mann mehr: im Jahr 1878 geboren, war er 1921 bereits 43 Jahre alt. Meine Großmutter Sophie, 1892 geboren, hatte mit ihren knapp 30 Lebensjahren einen interessanten Lebenslauf hinter sich. Sie war als Hauswirtschafterin und Köchin schon in verschiedenen Orten tätig gewesen. Die für sie bedeutsamste Stelle war wohl die im Hause des Generalmajors Fedor Benno Constantin von Kleist und seiner Gattin Elisabeth Eugenie Wilhelmine Amalie, geborene von Alt-Stutterheim. DieseDienstjahre in Potsdam waren offenbar sehr prägend für meine Großmutter. Ihr ganzes Leben lang bis ins hohe Alter hinein hielt sie die - im besten Sinne - preußischen Tugenden: Pflichtbewusstsein, Sparsamkeit, Selbstdisziplin und Fleiß für sich und ihre Familie aufrecht. Während dieser Dienstzeit im Hause der Familie von Kleist erhielt sie - anlässlich ihres 22. Geburtstages - ein "Rezept-Büchlein" als Geschenk. Es war versehen mit einer schönen und persönlichen Widmung (siehe Foto oben). Dieses Buch mit selbst eingeschriebenen Rezepten hat sie ihr ganzen Leben lang begleitet. Zuletzt befand es sich im Nachlass meiner Tante Elisabeth Fleetjer. In diesem Erinnerungsstück, diesem Geschenk der Familie von Kleist,öffnete sich mir auf eine berührende Weise nach einhundert Jahren ein eigentlich ungeahnter Abschnitt der Lebensgeschichte meiner Großmutter. Warum und wann genau sie Potsdam verließ, ist nicht bekannt - wahrscheinlich kam sie erst nach 1918 als Köchin nach Norderney.

Ein Rezeptbuch. Ein Geburtstagsgeschenk für Sophie Giesecke mit Widmung (links).

Ein Rezeptbuch. Ein Geburtstagsgeschenk für Sophie Giesecke mit Widmung (links).

Sehr schnell nacheinander bekamen die Eheleute Fleetjer zwei Mädchen. Im August 1922 kam die erste Tochter auf die Welt. Es war meine Mutter, Afkea Okken Maria Fleetjer. Im September kam 1923 die zweite Tochter, Elisabeth Anna Maria Martha Fleetjer. Die beiden wuchsen fast wie Zwillinge auf, oftmals gleich angezogen und sie wurden später auch zusammen eingeschult.

Schon Anfang des Jahres 1923 war Aafke Okken Fleetjer, geborene Friesenborg, im 79. Lebensjahr verstorben; ihr Mann, Eilert Abben Fleetjer, folgte ihr im Dezember 1926. Die beiden Eheleute, die etwa dreißig Jahre zuvor das Wagnis eingegangen waren, die Norderneyer Mühle zu kaufen und auf die Insel zu ziehen, hinterließen eine groß gewordene Familie mit vielen Enkelkindern und auch schon Urenkeln.

Afkea (links) und Elisabeth Fleetjer mit der Großmutter.

Afkea (links) und Elisabeth Fleetjer mit der Großmutter.

Hochzeitsanzeige in der Badezeitung vom 1. Dezember 1921.

Hochzeitsanzeige in der Badezeitung vom 1. Dezember 1921.


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