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53° 42' 26" N 7° 8' 49 Flagge der Insel
Chronik einer Insel
Insel Norderney

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2. Teil

Ostfriesischer Kurier (Serie erschien vom 08.02. - 03.05.2014)
Georg Kampfer: Akte Tromp - Ein Vogt zwischen Himmel und Hölle.

Vögte und Pastoren genossen damals das höchste Ansehen auf den Ostfriesischen Inseln, hatten aber dennoch keinen leichten Stand. Sie kamen in der Regel als Fremde und waren auf die Insulaner angewiesen. Wenn sie nicht bald deren Wohlwollen gewannen, waren sie gesellschaftlich völlig isoliert und ohne eigenes Schiff sogar kaum in der Lage, die Insel zu verlassen. Für viele Insulaner waren Vogt und Pastor zumeist jedoch eher unwillkommene Gäste, mit denen man notgedrungen auskommen musste. Andererseits hatten die Ämter des Pastors und des Vogtes auch ihre Vorteile. Der Pastor allein war in der Lage, das Abendmahl auszuteilen und damit den Weg zur ewigen Seligkeit zu bereiten. Den Pastoren jener Zeit war das durchaus bewusst und sie achteten sehr wohl darauf, wen sie zum Abendmahl einluden - und wen nicht. Somit war der Pastor nicht nur auf die Insulaner angewiesen, sondern sie auch auf ihn.

Die ewige Seligkeit

Ganz eigenwillig hat damals der Langeooger Pastor Bötker seine Stellung als Mittler zwischen Himmel und Erde aufgefasst, als er allen seinen Insulanern das Abendmahl vorenthielt und dies mit dem Hinweis auf Matthäus 7,6 begründete: Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben." Die Langeooger "Hunde" sahen damit ihren Weg in die ewige Seligkeit versperrt und beschwerten sich beim Fürsten, worauf sich die Situation schließlich entspannte. Der Norderneyer Vogt hingegen genoss ein eher weltliches Privileg: Er allein hatte die Lizenz zum Ausschank von Alkohol, hatte in seinem Haus einige Bierbänke und war damit Inhaber der einzigen Kneipe am Ort. Somit war ebenfalls der Vogt nicht nur auf die Insulaner angewiesen, sondern diese auch auf ihn. Bedenklich an dieser Konstellation war allerdings die Tatsache, dass der Vogt mit dem Alkoholausschank Geld verdiente und somit schon aus kaufmännischen Gründen daran interessiert sein musste, den Alkoholkonsum auf der Insel nach Kräften zu fördern. Dass Vogt Tromp nun aber deshalb sogar "die Insulaner in der Nacht vom Bette" geholt hat, "dass sie mit ihm saufen", wie Pastor Poppen in seinem Brief klagt, das dürfte wohl nicht der Regelfall gewesen sein. Dennoch scheint der Vogt seine Machtposition auch mit zweifelhaften Mitteln ausgenutzt zu haben, denn Pastor Poppen berichtet: "Die ihm in dem liederlichen Wesen nicht folgen wollen, müssen sich von ihmverfolgen (…) und die Fenster in der Nacht einwerfen lassen. Was ist demnach Wunder, dass nun das Saufen, Lügen, Stehlen und Straßenschinderei (Straßenraub) hier so im Schwange gehe…" Von seinen Norderneyern hatte der Pastor allerdings auch keine besonders gute Meinung, denn er klagt, dass "viele auf der Insel, wenn sie auch keinen solchen Anführer haben, die besten nicht sind".

Bier gegen Abendmahl

Die Interessen von Pastor und Vogt waren nicht in Einklang zu bringen, sodass die beiden Männer sich mittlerweile als Konkurrenten ansahen. Pastor Poppen berichtet: "Wennich willens bin, zu einer Vorbereitung auf das heilige Abendmahl läuten zu lassen, so lässt er (der Vogt) vorher zu einer Kanne Bier läuten."Auch an kirchlichen Feiertagen "siehet er dennoch zu, dass er seine Bierbänke besetzt habe". Und weiter: "…dass er mich auf der Bierbank in meiner Abwesenheit einen Schelm, Mennisten-Pastor (die Mennisten oder Mennoniten wurden von der Kirche als Ketzer angesehen) heiße, ohne Ursache blamiere (…), befremdet mich gar nicht."

Daneben hatte der Vogt anscheinend eine eher weltliche Vorstellung von der "Seligkeit", denn Pastor Poppen klagt: "Ist eine Versammlung, worinnen getrunken wird und die Violin gehet, so spricht er, somuss es gehen, wenn wir wollen selig werden". Bei diesen Zechgelagen gehe es zudem nicht mit rechten Dingen zu: "Er lasset Tag und Nacht Bent Remmers (den Kirchenverwalter) und seinen liederlichen Anhang auf der Gemeinde Kreide nach ihrem Gefallen zeichnen." Die Rechnungslegung des Vogtes für Bierausschank, Bergelohn und Abgaben der Gemeinde erfolge sodann grundsätzlich nur in Abwesenheit des Pastors, "damit seine Ungerechtigkeit nicht gemerkt werde".

Dann wird Poppen noch konkreter und berichtet, dasseinem auf Norderney gestrandeten norwegischen Kaufmann aus Bergen im Haus des Vogtes ein Paar seidene Strümpfe gestohlen, die Seekiste eines gestrandeten Schiffers aufgebrochen und geplündert worden sei und dass von einem Fass Indigo, das am Strand gefunden und vom Vogt verwahrt wurde, anschließend rund 50 Pfund fehlten. Und als zwei Norderneyer Fischer, Jacob Siemens und Gossel Wamken, geborgenes Strandgut pflichtgemäß "in des Vogts Haus gebracht, so hat er sie Schelme geheißen und gefraget, warum sie etwas zum Vorschein und nicht alles an die Seite gebracht hätten". Diese Frage verstand sicher nicht nur der Pastor als Aufforderung, geborgenes Strandgut künftig beiseite zu schaffen und zu unterschlagen.

Zusammenfassend kommt Pastor Poppen schließlich zu folgendem Schluss: "Wie gewissenhaft ein solcher Mensch sein Amt führen müsse, der die Bisse seines Gewissens durch Jenever, Branntwein und dadurch, dass er sich einbilde, es ist kein Teufel, zu stillen suchet, werden Eure Hochfürstliche Durchlaucht hocherleuchtet einsehen."


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